Ich habe mittlerweile schon unzählige Stunden bei Utopia verbracht. Aus einem "schnell mal vorbeischauen" wurde schon öfters ein ganzer Abend. Zu Verabredungen bin ich schon zu spät gekommen, weil ich mich nicht von Utopia lösen konnte. Zu faszinierend finde ich hier oft Gedankenaustausch und Informationsfluss.

Letztens habe ich dann im Radio einen Bericht über einen Schriftsteller gehört, der sich die Zeit genommen hat, in ca. 180 Tagen die "Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust zu lesen. Je nach Ausgabe sind die 7 Bände auf 3.500 bis 5.000 Buchseiten verteilt. Jochen Schmidt hat zwischen Juli 2006 und Januar 2007 beinahe täglich 20 Seiten durchgearbeitet und darüber ein Internet-Tagebuch geschrieben.

Links zum Blog sowie Zeitungsberichte dazu finden sich hier:
http://rainbop.blogspot.com/2009/12/schmidt-liest-proust.html

Die ZEIT hat sich im Januar 2007 dann auch auf die Suche nach der verlorenen Zeit gemacht. Und schließlich findet sich in dem ZEIT-Artikel auch der Begriff der "Nachhaltigkeit". Das erste Mal fällt er in der Beschreibung der langsamsten Stadt Deutschlands: Hersbruck in Mittelfranken, dreißig Minuten nordöstlich von Nürnberg.

"Langsame Städte wie das evangelisch-bayerische Hersbruck setzen den globalkapitalistischen Kreisläufen gezielt regionale Kreisläufe entgegen. Handelsketten sind unerwünscht, alteingesessene Betriebe werden bewusst gefördert, historische Flächen aus dem 15. Jahrhundert beweidet, Streuobstwiesen kultiviert. Die Bauern vermarkten direkt, in den Gaststätten kommt, auch wenn das Lamm ein paar Cent teurer ist, nur die »Heimat auf den Teller«. Die Stadt hat vier Erdgasbusse, eine Erdgastankstelle, und wenn ein Begriff alle Hersbrucker Bemühungen auf den Punkt bringt, so ist es jener der Nachhaltigkeit."

Die CittaSlow-Bewegung ist eine aus der Slowfood-Bewegung hervorgegangene "Vereinigung lebenswerter Städte".

Und so könnte sich der Kreis auch wieder schließen. Wer weiß, wieviele Menschen sich hier bei der Utopia-Community die Anregung und Unterstützung holen, um ihr eigenes Leben zu entschleunigen für mehr Nachhaltigkeit im Alltag vor Ort. Und so wäre die Zeit dann letztlich nicht verloren.

Die Antithese zu https://utopia.de/0/blog/icebreaker-of-sorts/utopia-de-ist-zeitverschwendung

Kommentare (22) 

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    schrieb am 27.12.2009 um 10:18
    Hallo lukita,

    mir geht es immer wieder so wie Dir. Man kommt von einem Blog auf den nächsten, von einem nachdenklichen Beitrag auf einen interessanten, dann auf einen, dem ich nicht so zustimme etc. etc.

    Ich bin momentan auf der Suche nach "Zeitfressern". Die meisten Fernsehsendungen gehören dazu. Je älter ich werde, umso mehr merke ich, wie die Zeit verfliegt. Daher habe ich auch viele Computerspiele gelöscht, da sie mir viel Zeit gestohlen haben. Ich spielte sehr gerne, aber inzwischen male ich lieber an einem Bild.

    Die Verlangsamung des persönlichen Lebens, die innere und äußere "Entschleunigung" wird mir zunehmend wichtig.

    Also: Danke für Deinen Beitrag.
    Nachdenken und Antworten auf einen solchen Text ist bereichernd, also keine verlorene Zeit.
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    schrieb am 27.12.2009 um 10:46
    Lukita,
    ich danke Dir sehr für diesen Beitrag!

    Dagmar SamtNierchen, Dir, mir und und allen anderen Freiräume zum Nachdenken wünschend
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    schrieb am 27.12.2009 um 10:47
    Tja die Zeit - deren dahinrasen merken wir wohl alle.

    Zeitung, TV, PC und Internet - alle stehlen die Zeit. Doch andersherum würde dies ja auch bedeuten, dass das Lesen einen Buches vertane Zeit sei und das ist es sicher nicht.

    Alle diese Dinge vertreiben mir die Zeit und ich "schimpfe" manchmal darüber. Andererseits weiß ich nicht mehr, wann ich das letzte mal mich über "Langeweile" beklagt habe, da war ich wahrscheinlich noch ein Jugendlicher ohne PC & Co.

    Durch mein Lesen & Schreiben in Foren, u.s.w. vergeht sicher täglich Zeit, die ich früher für andere Dinge hatte. Verschleppt sich damit die Zeit, die ich sonst hätte, um für meine LG wichtige "Arbeiten" vorzunehmen oder weitere Öko/Energiesparmaßnahmen durchzuführen, ist das sicher schade. Aber ich habe dadurch auch erfahren wie es manchmal ist, wenn ich - vor allem auf Sardinien - einfach gar nichts tue und erlaube mir auch meine echte Arbeitszeit in der Firma mit Utopia-Ausflügen zu torpedieren - was sicherlich Stress-Symptomen vorbeugt.

    Schade ist es nur, wenn man weiß, dass man eine fachlich gute Antwort gegeben hat und die kurze Zeit später, unfachlich, total in Frage gestellt wird - dann habe ich das Gefühl, meine Zeit vertan zu haben und das wäre nicht nachhaltig...

    Ich unterscheide also ob Zeit "vergeht" (was natürlich ist) oder ob man sie "sinnlos vertan" hat... wobei der Sinn bei jedem einzelnen anders liegt
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    schrieb am 27.12.2009 um 11:06
    Liebe Utopisten,

    über Zeit habe ich mir auch schon Gedanken gemacht und dabei ist die Zeit vergangen, bzw. weitergelaufen aber verbraucht habe ich sie nicht.

    Vermutlich habe ich ein Stück meines Lebens verwendet.

    Ich denke, Zeit ist eine abstrakte Größe, die die Menschen in Sekunden, Minuten, Stunden, Tage...... gefasst haben.

    Zeit kann ich gar nicht verbrauchen oder verschwenden, denn der Zeit ist es egal was ich tue oder nicht tue, sie bleibt konstant und abstrakt, ob ich mich langweile, oder etwas sinnvolles tue. Wobei diese beiden Begriffe individuell bewertet werden und sich schon deshalb relativieren und gar nicht auf die Zeit beziehen. Was hat Langeweile mit Zeit zu Tun??

    Also ich tue was ich tue und die Zeit läuft parallel.
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    schrieb am 27.12.2009 um 12:59
    Genau so ist es!
    Ich kann die mir geschenkte Lebenszeit investieren ...
    Worein ich investiere, entscheide ich ...

    Langeweile tue ich mir an - was ist das eigentlich ...
    Die Weile hält lang an?
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    schrieb am 27.12.2009 um 11:08
    Liebe Lukita,

    da haben wir wieder etwas gemeinsam: "schnell mal vorbeischauen" und Utopia, das passt einfach nicht zusammen. Ich stelle immer mehr fest, dass sich meine Prioritäten in puncto "Zeit" deutlich verschoben haben und dass ich vieles, was ich als "Zeitverschwendung" empfinde, immer mehr (und ganz automatisch) aus meinem Leben verbanne - ich werde also eindeutig nachhaltiger und Utopia hat einen ganz, ganz großen Anteil daran.
    Es ist eigentlich unglaublich, dass man die Langsamkeit wieder fördern oder gar erlernen muss und dass sich daraus wieder neue Interessensgruppen oder gar Wirtschaftszweige entwickeln, oder? "Langsame" Städte haben auf jeden Fall eine höhere Lebensqualität und irgendwie sehnen sich wohl alle Menschen nach Innehalten, Ruhe, Gelassenheit und "Heimat" (und das nicht nur auf dem Teller).
    Danke für diesen schönen Beitrag, liebe Grüße, Gita
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    schrieb am 27.12.2009 um 11:59
    Der geniale Astrophysiker Stephen W. Hawking, Autor des Buches "Eine kurze Geschichte der Zeit" leidet an ALS und ist noch mehr als andere an den Rollstuhl gefesselt. Er sagte dazu einmal: " Oh ja, mein Zustand hat auch etwas Gutes. Er macht mir Zeittotschlägereien wie Golf oder Joggen unmöglich, mithin kann ich mich intensiver als andere dem Denken widmen."
    Wir Utopisten denken, wenn wir hier Kommentare oder Antworten eintippen.
    Ist das nicht die geopferte Zeit wert?
  • gelöscht am 27.01.2010 um 23:56 von inaktiver User 25522
    Dieser Kommentar wurde gelöscht..
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    schrieb am 27.12.2009 um 13:06
    Nein, Zeit verlieren, das geht nicht - Lebenszeit investieren, denke ich gibt es nur.

    Meine Lebenszeit ist begrenzt - die investiere ich und ich denke, wer in utopische Weiten (s)einen Anteil investiert, investiert in Gedankenbewegungen und drauf folgende Vor-Ort-Aktivitäten ...

    Nicht jeder Mensch kann WISSENSCHAFTLER genannt werden, der WISSEN SCHAFFT ...

    WARUM NICHT?!?
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    schrieb am 27.12.2009 um 13:32
    Hallo Lukita,

    als es Utopia noch nicht gab, hab ich mir die Infos woanders zusammengesammelt, da ist auch viel Zeit verloren gegangen. Ich halte den Zeitaufwand also mehr für ein Internet-Problem, kein Utopia-Problem: die Informationsmenge ist so riesig geworden ... Die Frage ist nur, wie man damit umgeht: das ist oft nicht leicht.

    Ich versuche, meine Investitionen in Zeit zugänglich zu machen, z.B. mit der Linkliste über PCF (Product Carbon Footprint), usw. Es hilft auch (funktioniert bei mir aber nicht immer), Utopia erst dann zu machen, wenn alles andere erledigt ist.

    Wenn ich für mich persönlich die Bilanz ziehen soll (aufgebrachte Zeit vs. Nutzen), dann würde ich sagen: teuer, aber lohnend (vor 2 Jahren wußte ich nicht einen Bruchteil dessen, was ich mir inzwischen über Klimawandel und Bioanbau angelesen habe, obwohl mich beide Themen schon vorher überdurchschnittlich interessiert haben und ich bereits viel gemacht und gelesen habe: ich finde es schon einen Gewinn, nicht immer nur Argumente nachplappern zu müssen, sondern auch kritischen Argumenten nachgegangen zu sein, und in einigen Bereichen relativ fakennah und fundiert informiert zu sein, und begründetere Entscheidungen zu treffen oder fundierter diskutieren zu können).

    Lang dauert insbesondere der persönliche Austausch (wie z.B. dieser Post). Aber das dauert er auch offline. Da sehe ich online nur als ungut an, weil ich zu lang vor dem Rechner sitze (wenn ich Besuch habe, heize ich auch mal, oder wir gehen weg, irgendwohin, wo es wärmer ist, von daher ist bei mit auch die Ökobilanz des online-Austausches positiv ...). Dafür kann man das mit dem Rechner machen, wann man will, ohne Termine, bequem, zuhause ...

    Noch schwieriger abzumessen ist, ob die investierte Arbeit irgendwelche konkreten Verhaltensänderungen anderswo in der Welt hat. Aber das ist auch schwierig, wenn man sich hinter einen Greenpeace-Stand stellt (und dafür sollte man auch viel gelesen haben, denn man kann nicht schnell mal suchen, und sich informieren, da muss man richtig sattelfest sein) ...

    Man kann sich ja einen Wecker stellen.

    Viele Grüße,
    Jonas.
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    schrieb am 29.12.2009 um 14:07
    Lukita! Schon wieder vor Utopia!
    So ein schönes Draussenwetter!
    Sofort zurück in die Koppel!
    ;-)
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    schrieb am 29.12.2009 um 14:12
    Hier regnet es gerade...
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    schrieb am 29.12.2009 um 18:27
    Hier auch stärker als ich dachte ...
    hab ich dann gemerkt, nachdem ich
    nach diesem Post raus bin ...
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    schrieb am 17.02.2010 um 00:24
    Ich glaube utopia hemmt mich reale soziale Kontakte zu pflegen. Die Kontaktaufnahme über Community-Plattformen ist für mich einfacher. Aber Online-Kommunikation ist nicht wirklich nachhaltig. Das schöne Gefühl, was ich nach guten realen Gesprächen habe, kommt hier nicht auf.
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    schrieb am 17.02.2010 um 00:36
    Ich denke, es kommt auf die Mischung an. Mir sind reale Gespräche mit Menschen, die ich vor mir habe, lieber.

    Hier auf Utopia bin ich aber schon Menschen und Meinungen begegnet, die ich vorher noch nicht "in echt" getroffen hatte. Durch den Austausch mit diesen Menschen und die Auseinandersetzung mit deren Meinungen habe ich schon einiges in meinem Leben umgestellt.

    Und mit der Umstellung lerne ich wiederum neue Menschen kennen. Somit hat Utopia durchaus nachhaltigen Einfluss auf mein Leben abseits des Laptops.
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    schrieb am 24.06.2011 um 14:03
    Die im Text erwähnte "langsame Stadt" (Cittaslow) Hersbruck feiert das 10-jährige Jubiläum:
    http://www.nachhaltigkeitsblog.de/2011/06/cittaslow-hersbruck-feiert-10-j%C3%A4hriges.html
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    schrieb am 22.12.2011 um 14:35
    Mann, waren die Diskussionen damals noch friedlich!
    UND am Thema orientiert!
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    schrieb am 23.01.2013 um 15:44
    Kinodokumentarfilm SPEED – AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT
    http://www.speed-derfilm.de/

    Wir sparen ständig Zeit. Trotzdem haben wir am Ende immer weniger davon. Warum eigentlich?

    Im Takt der elektronischen Kommunikationsmittel hetzen wir von einem Termin zum anderen. Doch für die wirklich wichtigen Dinge, wie Freunde, Familie scheint die Zeit nicht mehr zu reichen. Wer oder was treibt diese Beschleunigung eigentlich an? Ist sie ein gesellschaftliches Phänomen oder liegt alles nur am mangelhaften Zeitmanagement des Einzelnen?

    In seinem Kinodokumentarfilm SPEED – AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT begibt sich der Filmemacher und Autor Florian Opitz auf die Suche nach der verlorenen Zeit.

    Wo ist nur die Zeit geblieben, die wir mühsam mit all den neuen Technologien und Effizienzmodellen eingespart haben? Opitz begegnet Menschen, die die Beschleunigung vorantreiben und solche, die sich trauen, Alternativen zur allgegenwärtigen Rastlosigkeit zu leben. Er befragt Zeitmanagement-Experten, Therapeuten und Wissenschaftler nach Ursachen und Auswirkungen der chronischen Zeitnot. Er trifft Unternehmensberater und Akteure, die im internationalen Finanzmarkt aktiv sind, die an der Zeitschraube drehen.

    Und er lernt Menschen kennen, die aus ihrem ganz privaten Hamsterrad ausgestiegen sind und solche, die nach gesellschaftlichen Alternativen suchen. Auf seiner Suche entdeckt er: ein anderes Tempo ist möglich, wir müssen es nur wollen.

    Den Link zum Film habe ich hier gefunden: http://www.daklue.de/leben/freiheit
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    schrieb am 10.02.2014 um 21:07
    Der Film bei arte:
    http://future.arte.tv/de/warum-rennt-uns-die-zeit-davon

    Das Zeit-Investment für den Film: 93 Minuten :-)
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    schrieb am 10.05.2016 um 14:47
    Den Film gibt's noch hier:
    https://www.youtube.com/watch?v=E6zxjeUdfu4
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    schrieb am 23.01.2013 um 17:58
    Wir haben ja ein eigentümliches Verhältnis zur Zeit, vor allem wie wir sprachlich mit ihr umgehen.
    Da steht zB im Blogtext
    "...Bericht über einen Schriftsteller gehört, der sich die Zeit genommen hat"
    So könnte er sich die Zeit "geben" um das Buch zu lesen und nicht "nehmen".
    Geben könnte man auch durch "schenken" ersetzen.
    Ich "schenke" mir also die Zeit um den Blogbeitrag zu lesen.
    Würde ich mir Zeit "nehmen" dann müsste ich sie von irgendetwas nehmen und dort entsteht dann wo möglich weniger Zeit für etwas anderes.
    Ja ich weiß, das ist nur ein Wortspiel, allerdings ist Schenken im besten Falle bedingungslos.
    Unsere Lebenszeit ist ja auch ein Geschenk, wir haben keinen Rechtsanspruch darauf.
    Mit einem Geschenk kann man machen was man will, es ist ja bedingungslos, so kann man das Geschenk LebensZeit todschlagen, rauben, vergeuden, sparen, optimieren, liegen lassen, ...
    Vieleicht sollten wir mehr Zeit verschenken an uns und unsere Lieben:-).
    Im Trailer zum Film gefällt mir die Dame, die auf der Alm Wiese sitzt und sagt "Das geht mir A... vorbei"
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    schrieb am 10.05.2016 um 14:41
    Schluss mit schnell - Dokumentarfilm Frankreich 2014 | arte
    https://www.youtube.com/watch?v=QHMG2XwPLyY

    Immer schneller, immer effizienter, immer rentabler - was haben wir aus der Zeit gemacht? Die Zeit scheint sich dem allgemeinen Maß des Geldes nicht mehr entziehen zu können. Wir sind in die Ära der Beschleunigung eingetreten, in die Ära der Norm gewordenen Unverzüglichkeit. Aber zu welchem Preis? Im Finanzwesen und in der High-Tech-Branche führt der immer größere Zeitdruck zu ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen.

    Doch es gibt eine Gegenbewegung: Weltweit haben Frauen und Männer beschlossen, sich auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen dem Diktat der Dringlichkeit zu widersetzen. In Europa, Lateinamerika, den USA und Indien gibt es Initiativen einzelner Personen und Vereine, die nach Wegen suchen, um zu einem Umgang mit der Zeit zurückzufinden, der Aufmerksamkeit, Geduld und Sinnhaftigkeit ermöglicht. Wer sind diese neuen Rebellen, die einen anderen Rhythmus vorleben, um eine fruchtbare Beziehung mit der Zeit wiederzuentdecken? Das Barefoot College in Indien zum Beispiel bildet Tausende von Frauen aus ländlichen Gebieten in der Herstellung von Solartechnik aus.

    Auch Versuche der Entglobalisierung können zur Entschleunigung beitragen: Die Städte Romans-sur-Isère und Bristol führen eine Alternativwährung ein, um das tägliche Leben wieder lokaler zu gestalten. Und im amerikanischen Ithaca haben Landwirtschafts- und Kreditgenossenschaften bereits bewiesen, dass sie die Wirtschaft lokal verankern können. Als Gegenmodell zum Wettlauf um Zeit und Rentabilität könnten diese Alternativen beispielhaft für die Welt von morgen sein. Im Grunde sind sie die praktische Umsetzung der kritischen Analysen von Philosophen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftlern und Forschern wie Pierre Dardot, Rob Hopkins, Geneviève Azam und Bunker Roy.