Ein Gebäude, das in dem Ort Lusina in Polen steht, trägt den Nachnamen meines Vaters als Inschrift. Mein Ururgroßvater erbaute 1872 das Gebäude für eine Schnaps-Brennerei im damaligen Lüssen, das zu der Region Schlesien gehörte, die heute Śląsk heißt. Mein Vater wurde im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern und Brüdern aus seiner Heimat vertrieben. Sein Vater und seine Großmutter starben auf der Flucht. In der neuen Heimat im Ruhrgebiet ist mein Vater bis heute nicht ganz angekommen.

Sein Halbbruder ist im Krieg gefallen.

Reinhard Mey, Hannes Wader, Konstantin Wecker - Es ist an der Zeit
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Die Mauer zwischen Ost und West trennte später meinen Vater von seiner Mutter und seinen Brüdern. Ich erinnere mich, als wir einmal über die Grenze fuhren, um die Verwandten im Osten zu besuchen. Die Mauer mit den Grenzstreifen, die Selbstschussanlagen, die Wachtürme, die Maschinengewehre, die Blicke der Grenzposten und die Reaktion meiner Eltern machten mir Angst. Willkürlich wurden Autos herausgewunken. Manche mussten all ihr Gepäck öffnen und durchsuchen lassen. Vor den Augen der anderen. Die Grenzposten schienen, ihre Macht zu genießen. An die Mutter meines Vaters habe ich keine bewusste Erinnerung.

Bei der Erziehung hatte mein Vater strenge Regeln und eine harte Hand. Er wollte, dass ich seinen Regeln folge und drohte mit Gewalt, so dass ich mich selbst zwang, Dinge zu tun, die ich nicht wollte. Ich erinnere mich an eine Szene, als ich das Fleisch auf meinem Teller nicht essen wollte. Er schlug auf den Tisch und schimpfte laut: „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!“ Also schob ich das Fleisch unter Tränen in meinen Mund. Danach rannte ich zum Klo und übergab mich. Ich war damals jünger als 8 Jahre.

Er sagt, dass er Krieg, Flucht und Vertreibung gut verarbeitet habe. Gleichzeitig erinnere ich mich daran, dass ich als Kind in Gedanken immer wieder den Koffer gepackt habe: Was will ich mitnehmen? Aufgrund der Erzählungen meines Vaters hatte ich Angst davor, dass die Russen kommen. Darauf wollte ich vorbereitet sein. Es war die Zeit des kalten Krieges.

Bobo – Winterlied
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Mein Vater ist sehr interessiert an Geschichte, Politik, Gesundheit, Naturwissenschaften, etc. Er war und ist ein interessanter Gesprächspartner. Er weiß viel. Die Diskussionen mit meinem Vater waren teilweise sehr heftig und so habe ich gelernt, meinen Standpunkt klar und deutlich zu vertreten.

Er lacht gerne und laut. Und ich habe ihn schon öfters weinen sehen. Das erste Mal bei der Beerdigung seiner Halbschwester.

Auf meinem Weg unterstützt er mich bedingungslos. So unterstütze er mich schon früh in meinem Drang, die Welt zu entdecken. Eines Tages brachte er einen Daunenschlafsack mit. Ich freute mich sehr und schlief diese Nacht direkt im Schlafsack auf dem Boden. Ich träumte von Reisen, bei denen ich zelten würde. Er finanzierte die Reisen meiner Jugendzeit nach Irland, Frankreich, Norwegen, Österreich, Tschechien. Den Schlafsack habe ich immer noch. Er hat mir auf unzähligen Reisen an unzähligen Orten, teilweise auch im Freien Wärme geschenkt.

Mein Vater kümmert sich rührend um die Singvögel im Winter. Überall verteilt er Futter. Und er beobachtet genau, welche Vögel kommen und wie sie das Futter annehmen. Auch kennt er schon die Routine des Eichhörnchens, das regelmäßig in den Garten kommt. Mein Vater hat im Garten mehrere Apfelbäume gepflanzt. Nach der Ernte gibt er mir jede Menge Äpfel mit, von denen ich weit in den Februar hinein zehre.

Reinhard Mey - Mein Apfelbäumchen
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Mein Vater freut sich immer, wenn ich anrufe oder zu Besuch komme.

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Bild: 2013-05 in Udanin/Gäbersdorf