Donnerstag, 25. Februar 2016

Fahrradfahren


Und die Kunst des Fallens

Mitte Januar habe ich mit Aikido angefangen. Vor dem Dojo habe ich schon mal vor zehn Jahren gestanden. Ich wollte Fallen lernen angesichts der Gefahren im Straßenverkehr, die ich als Fahrradfahrerin in Köln wahrnahm. Die Außendarstellung des Dojo hat mich allerdings zu dem Zeitpunkt nicht angesprochen. Der Monatsbeitrag war mir zudem zu hoch. Während der vergangenen Jahre dachte ich immer wieder daran. Und immer wieder fand ich Gründe, nicht mit Aikido anzufangen. Jetzt bin ich dabei. Ich gehe mehrmals in der Woche ins Training. Im Aikido heißt die Fallschule Ukemi. Aus dem Stand abrollen wie zu Anfang dieses Videos kann ich noch nicht mal ansatzweise. Kürzlich sagte mir einer von den Fortgeschrittenen: „Der Körper wird Dir sagen, wann Du diese Art des Abrollens ausprobieren kannst. Du brauchst Geduld.“

In all den Jahren hatte ich bisher noch keinen ernsten Fahrradunfall. Ich habe gelernt, gewisse Gefahren voraus zu sehen. Bei Ausfahrten bremse ich vorher ab. Bei Rechtsabbiegerspuren schaue ich immer, ob die abbiegenden Autofahrer abbremsen und mich auch ansehen. Ansonsten bremse ich und verzichte auf mein Recht auf Vorfahrt. Ich habe bereits in zahllose erschrockene Gesichter geschaut von Menschen, die sich einfach nicht umgeschaut hatten. Es bleibt ein Restrisiko. Eine Freundin von mir wurde von einem rechtsabbiegenden Autofahrer am Hinterrad erwischt, als sie bei grün weiter geradeaus fuhr. Sie fiel unglücklich auf den Kopf. Seit dem Unfall hat sie keinen Geruchssinn mehr und somit kann sie auch nichts mehr schmecken. Das empfinde ich als eine große Einschränkung der Lebensqualität.

Ich fahre täglich Fahrrad. Für mich ist Fahrradfahren Mobilität, um schnell von A nach B zu kommen, Bewegung, Spaß und Freiheit. Ich habe eine Playlist mit Liedern rund ums Fahrradfahren angelegt. Es ist eine bunte Mischung geworden. Selten hatte ich so viel Spaß beim Finden und Anschauen von Musikvideos. In vielen verschiedenen Sprachen werden viele verschiedene Lebensgefühle und -einstellungen vermittelt, die Menschen mit dem Fahrradfahren verbinden
https://www.youtube.com/playlist?list=PLN-ZVQ9Hc8I5ENNbAXmHuLRfwXTCL_v9L

Das Fahrradfahren kann auch zu einer Ideologie werden. Es gibt den Ausdruck der „Kampfradler“. Zur Critical Mass habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits macht es Spaß, so viele Menschen zu treffen, die auch Freude am Fahrradfahren haben, die gut ausgebauten Straßen nutzen zu können und ganz neue Ecken meiner Stadt kennenzulernen. Und es ist ein schönes Zeichen, wie viele wir schon sind. Andererseits kann ich auch Autofahrer verstehen, die unruhig werden, wenn es für sie mal nicht vorangeht. Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen aufgebrachten Autofahrern und Teilnehmenden der CM.
http://rainbop.blogspot.de/2015/02/critical-mass.html

Gleichzeitig möchte ich alle Autofahrer einladen, sich einmal die aktuelle Raumverteilung bewusst zu machen: Wie viel öffentlichen Raum bekommen parkende, stehende und fahrende Autos, wie viel Raum bekommen Fußgänger und wie viel Raum wird Fahrrädern zugestanden?
http://www.radfahren-in-koeln.de/2015/12/14/verschwendete-zeit-radverkehrskonzept-innenstadt/

Ein SUV kann bis zu 20 l/100 km verbrauchen. Bei einem 24h Rennen am Nürburgring werden mit einem Spritverbrauch von ca. 50 l/100 km mal eben bis zu 400.000 Liter Benzin verheizt.
https://utopia.de/0/gruppen/mobilitaet-verkehr-85/diskussion/nuerburgring-benzinverbrauch-beim-24h-211323

Beim Fahrradfahren verbrauche ich kein Benzin sondern Körperspeck. Und ich spare Geld.
http://www.zukunft-mobilitaet.net/wp-content/uploads/2011/04/fahrrad-auto-macht-fett-analyse.jpg

Menschen auf Fahrrädern haben grundsätzlich keine Knautschzone. Das macht sie einerseits sehr verletzlich. Andererseits ist das genau das, was ich am Radfahren so schätze: Der Materialverbrauch für mein Fahrrad ist minimal und das Gefühl von Freiheit maximal.
Fahrradfahren ist leise.
Und ohne Abgase.

Rafik Schami lässt Aida in seinem Buch „Sophia“ auf die Frage, was sie sie sich schon immer gewünscht habe, antworten: „Rad fahren. Das war mein Traum als Mädchen. Ich beneidete meinen Bruder, seine Freunde und all die Jungen in meiner Nachbarschaft um dieses federleichte Schweben, aber als ich den Wunsch einmal geäußert habe, reagierte meine Mutter laut und ungehalten, und das war sie immer, wenn sie Angst bekam. Ich solle mir das aus dem Kopf schlagen. Frauen blieben zuhause, und da bräuchten sie kein Rad. Rad fahren könne böse Folgen haben, erklärte sie bedeutungsvoll.“
Zur Geschichte des Damenradfahrens in Europa...
http://rainbop.blogspot.de/2016/02/die-frau-und-das-fahrrad.html

In der öffentlichen Wahrnehmung scheint es weiterhin Aufklärungsbedarf zu geben. „Der Radfahrer in der Presse: gerne übersehen, oft touchiert, ohne Helm längst tot, und gegen Verkehrsregeln verstoßend, die niemand korrekt erklären kann.“
https://presserad.wordpress.com/

Critical Mass in Köln: Jeden letzten Freitag im Monat
https://www.facebook.com/critical.mass.koeln/

Critical Mass in anderen Städten
http://itstartedwithafight.de/critical-mass-deutschland/

Bicicleta
https://www.youtube.com/watch?v=sonnKhf-84g

Bild: 2014-06 in Köln 

Kommentare (3)

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    schrieb am 26.02.2016 um 00:04
    Kleine kuriose Geschichte zur Nacht. Ich hörte neulich von einer syrischen Flüchtlingsfrau, offensichtlich gut gebildet und gut situirert (gut englischsprechend), dass sie sich per Fahrrad in Norwegen in Sicherheit gebracht hat. Sie hatte sich über Moskau und Murmansk auf die Flucht gemacht. Die russischen Gesetze verbieten den Grenzübergang zu Fuss. Jeder Flüchtling muss sich daher im Grenzort mit einem Fahrrad ausstatten (zu unmöglichen Preisen versteht sich). Wer jetzt glaubt, dass sie sich radelnd auf dem überteuerten Rad gerettet hat ist aber auf dem Holzweg. Sie hat geschoben weil sie nicht Radfahren konnte.
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    schrieb am 02.03.2016 um 08:58
    Ja, das habe ich auch gelesen.
    Wenn man sich vorstellt, was die alles schon hinter sich haben, bis sie dort an die Grenze kommen, dann die Radl-Episode und dann sind sie im Norden Norwegens gelandet.
    Also zum Spaß macht das keiner... 
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    schrieb am 26.02.2016 um 12:17
    Danke, für diesen Beitrag.

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